Pressekonferenz, öffentliches Training, Wiegen, Medientermine: Die letzten Tage vor einem Kampf sind für einen Boxer besonders intensiv. Jürgen Brähmer kennt all das bestens, der 44-Jährige kürte sich zweimal zum Weltmeister im Halbschwergewicht. Er weiß um die Gefahren, die so kurz vor einem Kampf lauern. Deshalb ist Brähmer besonders wachsam. „Ich bin überhaupt kein Freund davon, zu meinen, man schaltet jetzt in den Urlaubsmodus“, betonte er am Mittwoch. So mancher Boxer in Deutschland erhoffe sich Vorteile davon, die Trainingsintensität vor einem Kampf deutlich zurückzufahren, „das kann ich gar nicht nachvollziehen“.

Brähmer denkt im Moment nicht als Boxer, sondern als Trainer. Denn am Samstag kehrt sein Schützling Robin Krasniqi nach 16 Monaten Kampfpause zurück in den Ring – Urlaub vom Boxen hatte Krasniqi also genug. Im Münchner Audi Dome trifft der 35-Jährige auf den in Belgien lebenden gebürtigen Russen Timur Nikarkhoev.

Wenige Tage vor dem Kampf erzählt Krasniqi von seiner Freude, erstmals in seiner Münchner Heimat zu boxen, von der guten Zusammenarbeit mit Brähmer („er hat mir einen sehr guten Plan gegeben“), von seinen Vaterfreuden, die er seit wenigen Monaten genießt und die ihm noch mehr Motivation bescherten. Doch die größte Motivation zieht er immer noch aus dem, was ihm im Oktober 2021 widerfahren ist, als er letztmals im Ring stand. Damals verlor er seinen WM-Gürtel im Halbschwergewicht nach einem umstrittenen Kampfurteil an Dominic Bösel.

Nach dem „sogenannten Urteil“, wie Krasniqi es nannte und das er heute noch als „großen Skandal“ ansieht, ging es heiß her. Die Krasniqi-Seite legte Protest beim Weltverband ein und versuchte, eine außergerichtliche Einigung zu ihren Gunsten zu erzielen. Ein Sponsor stellte sogar eine Million Euro zur Verfügung, um die rechtlichen Schritte zu finanzieren. Vergebens.

Das Ziel lautet, wieder um einen WM-Gürtel zu boxen – im Idealfall noch in diesem Jahr

Krasniqi ging nach der großen Enttäuschung durch ein sportliches Tal. „In den ersten sechs bis acht Monaten danach war meine Motivation auf null“, erzählt er heute. Traurig sei das gewesen, und weh getan habe es. „Aber jetzt ist es vergessen“, betont er. „Und meine Motivation ist noch größer.“ Der Kampf gegen Nikarkhoev am Samstag soll der erste Schritt zurück sein. Das Ziel lautet, wieder um einen WM-Gürtel zu boxen, im Idealfall noch in diesem Jahr.

Auch mit Hilfe von Brähmer hat Krasniqi wieder die Lust am Boxen entdeckt. Eigentlich war Krasniqis Plan, noch zwei Jahre zu boxen, „aber Jürgen hat mir die Motivation gegeben, noch fünf Jahre weiterzumachen“. Seit knapp drei Wochen wird Krasniqi von Brähmer trainiert, gegen den er vor acht Jahren selbst im Ring stand – und verlor. Viel ändern konnte Brähmer in den wenigen Wochen nicht, „dafür hatten wir gar nicht die Zeit“, erzählt der 44-Jährige. „Meine Aufgabe war es, das, was er kann, zu maximieren und zu verfeinern.“

Ein Hauptaugenmerk legte Brähmer in der Kampfvorbereitung auf Krasniqis Beinarbeit, da sieht er „noch viel Potenzial“. Und das könnte der Schlüssel gegen Nikarkhoev werden, der „sehr unbequem“ werden könne. „Ich glaube, dass man ihn über die Schnelligkeit bekommt“, sagt Brähmer. Krasniqi ist bereit: für Samstag – und für einen eventuellen dritten Kampf gegen Bösel. Ein solcher „wäre schön, sehr, sehr schön“, sagt Krasniqi lächelnd, „aber ich glaube, dafür fehlt ihnen der Mut.“