Auf den Tribünen der Veltins-Arena wird gemeckert und geschimpft werden, wenn am Dienstagabend Hansi Flicks Nationalelf vor mindestens 45 000 Besuchern zum „Stimmungs-Endspiel“ (Kicker) gegen Kolumbien antritt, so viel ist vorher schon klar. Dies hat aber nicht unbedingt mit dem Auftritt des Teams zu tun und der schwierigen Phase, in der es steckt, sondern vor allem mit den Naturgesetzen. Weil am vorigen Montag beim 1000. Länderspiel des DFB in Bremen die Kapazitäten begrenzt waren, hat der Verband seine ehemaligen Nationalspieler nun nach Gelsenkirchen eingeladen, wo mehr Platz vorhanden ist. Schon vor einer Woche hatten mehr als 50 Gäste zugesagt, und nichts ist somit logischer, als dass in den VIP-Räumen ein babylonisches Durcheinander an kritischen Expertenmeinungen zu hören sein wird. Alt-Internationale wissen es naturgemäß besser, unter anderem deswegen ist Lothar Matthäus an allen Medienfronten ein gefragter Mann.
„Matthäus teilt gegen Flick aus“, „Matthäus schießt gegen Kimmich und Flick“, „Matthäus: Das muss Flick dringend ändern“. So lauteten am Montag einige Überschriften im Pressespiegel des Chef-Kommentators, der zwar ein persönlicher Freund des Bundestrainers ist, aber halt auch ein altgedienter Fußballer mit unbestechlichem Fachwissen – und dem Auftrag zur pointierten Meinung.
Zuletzt monierte Matthäus bei RTL die vielen Experimente des Bundestrainers: „Hin und her, Dreierkette, Viererkette: Ich als Spieler will ja auch irgendwann die Sicherheit haben, wie der Trainer auf mich steht. Welchen Job gibt er mir? Welches Vertrauen habe ich?“
Neben Gündogan und Kimmich erhält auch Malick Thiaw eine Einsatzgarantie
Wie es Flick jetzt ergeht, da er überall zu hören und zu lesen bekommt, was er wieder falsch gemacht hat, das hat ein anderer prominenter Alt-Internationaler verraten, der als amtierender DFB-Sportdirektor fest an der Seite des Bundestrainers steht. In seiner Verteidigungsrede für Flick hatte Rudi Völler am Wochenende nicht nur eine Arbeitsplatzgarantie für den Coach ausgesprochen, sondern auch „aus eigener Erfahrung“ mitfühlend berichtet: „Wenn man gelobt und einem auf die Schulter geklopft wird, ist es einen Tick angenehmer. Natürlich ist es jetzt nicht schön für Hansi. Es fühlt sich vielleicht auch ein bisschen ungerecht an.“
Flick selbst hielt am Montag tapfer dagegen, dass ihm der Job nach wie vor „sehr viel Spaß“ mache, es sei „alles wunderbar“. Was ihm gerade widerfahre, gehöre „zum Fußball und zum Leben dazu“. Den Kritikern sendete er eine trotzige Botschaft: „Ich gehe kompromisslos meinen Weg.“ Beim 0:1 verlorenen Spiel in Polen habe er – entgegen der herrschenden Meinung – „Fortschritte gesehen“, insistierte der Coach.
Flick räumte ein, das Spiel gegen Kolumbien sei unter dem Eindruck der zuletzt äußerst dürftigen Bilanz „für unseren Weg und unsere Entwicklung sehr wichtig“. Dass ein Sieg zwecks Beruhigung der Volksseele diesmal Vorrang haben sollte vor dem Testergebnis für den Laborleiter, ist dem Bundestrainer bewusst: „Es geht wirklich ums Ergebnis“, sagte er und versprach, den Fokus aufs offensive Spiel zu richten. Außer Ilkay Gündogan und Joshua Kimmich erhielt auch Malick Thiaw eine Einsatzzusage, zur übrigen Aufstellung schwieg sich Flick noch aus. Gemeckert wird sowieso.