Hier ein Juwel, das dem Sportreporter Javier Cáceres in die Hände gefallen ist, als er vor geraumer Zeit in einem Antiquariat in Santiago de Chile nach Fußballbüchern fragte. In einem lag, versteckt zwischen den hinteren Seiten, diese Grußbotschaft des früheren Bundestrainers Sepp Herberger an seinen chilenischen Amtskollegen Fernando Riera, und man kann nur vermuten, dass der Antiquar dieses Dokument übersehen hat, als er das Buch ins Verkaufsregal stellte. Vielleicht war er aber auch einfach kein Fußballkenner, solche Leute soll es ja geben.
Allen, die Fußballfreunde sind, erschließt sich dagegen der Stellenwert, den die deutsche Nationalmannschaft damals hatte, denn wenn Herberger einem chilenischen Kollegen „in sportlicher Verbundenheit“ – beziehungsweise: „Ferbundenheit“, wie Herberger schrieb – ein Autogrammblatt widmete, dann wurde so ein Papier zu einem Dokument der Völkerverständigung.
Die Handschrift Herbergers: vom Notizbuchbefüllen in Schwung gehalten, kalligraphisch anspruchsvoll. Die Signaturen der Fußballer darunter: in Reih und Glied, aber offenbar mit verschiedenen Kugelschreibern aufgebracht. Das Datum: 23. März 1960.
Die Signaturen der Spieler: hingemalt und auch heute noch zu entziffern
An jenem Tag fand das Länderspiel Deutschland – Chile statt, Spielort Stuttgart, Endstand 2:1. Offenbar hat Chef Herberger in den Stunden vor Anpfiff, vielleicht nach dem gemeinsamen Mittagessen mit dem Team, noch Gelegenheit gefunden, seine Männer zum Signieren anzuhalten. Sie haben sich die Zeit genommen, das dauert schließlich, bis die Herren Haller, Schnellinger, Brülls, Stollenwerk und alle anderen ihre Namen hingemalt haben, so lesbar, dass man sie auch 63 Jahre später noch entziffern kann.
Dass der amtierende Bundestrainer Flick jemandem etwas „in sportlicher Verbundenheit“ widmet, noch dazu handschriftlich, ist schwer vorstellbar. Und dass sich aus der momentan spielenden Elf keiner so richtig aus dem Mittelmaß abhebt, wird schon durch die Unterschriften deutlich, wie sie heute üblich sind: nachlässig hingeschmiert, ein paar lieblose Bögen mit fettem Edding, da sieht eine Signatur wie die andere aus. Aber es will eh kein Mensch mehr Autogramme, sondern nur noch Selfies, die purzeln dann aber nicht Jahrzehnte später in einem Antiquariat aus einem vergessenen Buch heraus, sehr zur Freude des Käufers, der zu schätzen weiß, was ihm da geschenkt worden ist.